Kompetenzorientierung … anschaulich gemacht

Dass unterrichtliches Handeln zielorientiert erfolgen soll, versteht sich nahezu von selbst. Dennoch liegt gerade in den Fragen der Auswahl der „richtigen“ Ziele sowie in deren sorgfältiger und anforderungsgerechter Formulierung eine große Herausforderung. Dies hängt auch damit zusammen, dass auf diesem Feld weder in der didaktischen Theorie ein einheitliches Konzept vorliegt, noch verschiedene Studienseminare, Fachbereiche und Seminarleitungen übereinstimmende Vorstellungen haben.

Unterrichtliche Ziele sollten inzwischen stets kompetenzorientiert formuliert werden – doch wie macht man das? Hier eine Analogie, die vielleicht hilft:

Ein talentierter Sportler (Leichtathlet, Mittelstrecken-Läufer) setzt sich das Ziel, in einem Jahr zur nationalen Spitze im 800-Meter-Laufen zu gehören. Sein Trainer nimmt das Ziel auf und konkretisiert es gemeinsam mit dem Sportler dahingehend zu einem Wettkampfziel, bei zukünftigen nationalen Meisterschaften jeweils unter den drei Erstplatzierten zu sein. Er unterstützt ihn dabei durch ein entsprechend ausgearbeitetes Training mit vielfältigen Übungen. Es geht hier letztlich um die Fähigkeit und Bereitschaft, 800 Meter in besonders wichtigen Wettkampfsituationen sehr schnell laufen zu können. Dies kann im Training nicht überprüft werden. Auch für das Training bedarf es jedoch einer Zielorientierung, es werden Trainingsziele gesetzt. Beim Training zeigt sich dann das beobachtbare Verhalten des Sportlers in Form seiner guten Trainingsergebnisse. Dies sind Anzeichen dafür, dass die Fähigkeit und Bereitschaft des Sportlers zunehmen und er (vermutlich) seinem großem Ziel näher kommt. Ob er das Ziel jedoch tatsächlich erreicht, zeigt sich erst in der komplexen und anspruchsvollen Situation in einem Jahr, wenn die nationale Meisterschaft ansteht. Die Situation ist deshalb komplex, weil der Sportler nicht alle Rahmenbedingungen kennt und/ oder beeinflussen kann (Umgebung, Klima, Wetter, eigene Befindlichkeit, Tagesform, Konkurrenten usw.); sie ist deshalb anspruchsvoll, weil es sich um reales Handeln mit realen Konsequenzen handelt.

Die Analogie besteht in folgender Weise:

Sportler/ Läufer -> Schüler
Trainer -> Lehrer
nationale Meisterschaften -> Leben, (berufliche) Praxis
800-Meter-Lauf im Wettkampf -> Handlungssituation
Training -> Unterricht
Fähigkeit und Bereitschaft zum … -> Kompetenz
Wettkampfziel -> kompetenzorientiertes Ziel
Trainingsziel -> unterrichtliches Ziel
Trainingsergebnis -> Lernergebnis
800 Meter Laufen im Training -> Performanz im Unterricht
800 Meter Laufen im Wettkampf -> Performanz im Leben
Anzeichen -> Indikatoren

Hilft das?

G. Wenge

Buchhinweis:
Dr. Heiko Reichelt/Gerald Wenge:
Unterrichtsbesuche, Hospitationen und Lehrproben
Ein Leitfaden für Studium, Referendariat und Lehrerpraxis
1. Auflage 2017
Verlag Europa-Lehrmittel
ISBN 978-3-8085-2144-1

 

Hinterlasse einen Kommentar